Der Rückruf – echte Beziehung statt reine Technik

Stell Dir vor: Dein Hund entdeckt einen Hasen, hebt den Kopf, Du rufst einmal und er dreht auf dem Absatz um und kommt zurück. Klingt wie ein Märchen?

Ist es aber nicht. Nur eben auch kein Zaubertrick.

Falls Dein Rückruf eher so aussieht: „KOMMMMM! Nein, HIERRRR! Max! MAX! MAAAAAAX!“, herzlich willkommen in der Realität. Du bist nicht allein. Und ja, es gibt einen Weg raus aus diesem Chaos.

Im vorletzten Blogeintrag ging es um „trotzige“ Hunde und dabei bildlich um den Rückruf. Da dazu einige Rückmeldungen kamen, möchte ich das Thema heute noch einmal explizit aufgreifen. Dabei soll klar werden, warum Beziehung wichtiger ist, als reine Technik. 

Der größte Rückruf-Mythos: „Mehr Technik = besserer Rückruf“

Spoiler Alert: Nein.

Das Internet ist voll mit „5-Schritte-Anleitungen“ und „Rückruf in 7 Tagen“. Alles schön und gut. Aber mal Hand aufs Herz. Hast Du schon mal eine davon komplett durchgezogen? Und wenn ja, warum funktioniert es trotzdem nicht zuverlässig?

Weil Hunde keine Roboter sind. Und Beziehungen sich nicht programmieren lassen.

Das Rückrufsignal – Dein erstes Problem (von dem Du noch gar nichts weißt)

Zuerst sollst Du Dir über Dein Kommando klar sein oder werden. Dieses Signal soll nur eine Sache bedeuten: „Komm zu mir gerannt, egal was passiert“. Punkt. Nicht mehr und nicht weniger. Klingt einfach oder?

Warum Dein aktuelles Kommando wahrscheinlich schon „verbrannt“ ist

Mal ehrlich: Wie oft rufst Du deinen Hund und bist zufrieden, wenn er nur den halben Weg kommt? Wie oft rufst Du ihn, ohne zu wissen, was danach passieren soll? Wie oft rufst Du ihn, obwohl Du es gar nicht ernst meinst?

Herzlichen Glückwunsch, Du hast Deinem Hund beigebracht, dass Dein Rückruf optional ist.

Soll ich Dir was verraten? Das ist so ziemlich normal. Deshalb habe ich zwei Rückrufsignale. Eines für den Alltag (das darf auch mal halbherzig sein) und eines für den Notfall: „Komm zu mir gerannt, egal was passiert.“ Punkt.

Du siehst, auch ich gestehe mir ein, nicht immer konsequent zu sein. Und nicht immer eindeutig und perfekt mit meinen Hunden zu kommunizieren. Denn all das, was ich gerade geschrieben habe, ist auch hier Alltag. Und meine Hunde müssen Höchstleistungen vollbringen, um mich zu verstehen. Nun gut, damit sind sie nicht alleine auf der Welt, aber das ist ein anderes Thema! 😉

Der Notfall-Rückruf

Ich möchte in diesem Beitrag auf den „Notfall-Rückruf“ eingehen. Solltest Du also bisher ein Kommando haben, was nicht so gaaaaanz klar definiert ist, überleg Dir ein Neues. 

Dieses eine Wort, was bedeutet „komm zu mir gerannt, egal was passiert“, ist die Grundlage für einen zuverlässigen Rückruf und stellt sicher, dass Dein Hund ab jetzt ganz genau weiß, was er zu tun hat, wenn er es hört. Indem Du dieses eine Wort ausschließlich für den Rückruf verwendest schaffst Du Klarheit bei Deinem Hund und legst den Grundstein für konstantes und zuverlässiges Verhalten.

Der Name des Hundes als Rückrufsignal

Warum verwenden wir sinniger Weise nicht den Namen des Hundes?

Überlege Dir, wie oft Du den Namen Deines Hundes über den ganzen Tag verwendest. Wie oft hat der Name überhaupt eine Bedeutung für den Hund? Und wenn ja, ist es dann immer die gleiche Bedeutung?

  • „Max“ (schau mich an)
  • „Max!“ (hör auf damit)
  • „Maaax“ (geh mir aus dem Weg)
  • „MAX!“ (komm sofort her)

Wie oft bedeutet der Name „Komm zu mir gerannt, egal was passiert“?

Dieses Durcheinander und diese Inkonsequenz kann für einen Hund durchaus mächtig verwirrend sein. Okay, ich leg noch einen drauf. Es. Ist. Verwirrend.

Die Verwendung seines Namens als Rückrufsignal sendet ziemlich viele widersprüchliche Botschaften, da er mit sehr vielen unterschiedlichen Emotionen und Situationen verknüpft ist. Somit ist der Hund nicht immer in der Lage rauszufinden, wann sein Name mit „Komm her“ zu verknüpfen ist und wann nicht. Schon gar nicht, wenn es schnell gehen muss.

Ich finde es ja mega bewundernswert, dass die Hunde es in den meisten Fällen schaffen überhaupt noch rauszufinden, was wir gerade von ihnen wollen, wenn wir nur ihren Namen sagen. 

Auf menschliches Beziehungen gemünzt ist es, als würdest Du zu jemandem „Hallo“ sagen und manchmal „Guten Morgen“, manchmal „Hilfe!“ und manchmal „Verpiss dich!“ meinen. Wer soll das übersetzen können? 

Bonus-Wissen: Mit „komm“ verhält es sich übrigens ähnlich. Überlege mal was „komm“ für Deinen Hund alles bedeutet. Ich denke, Du bekommst es hin, ohne, dass ich Dir das jetzt vorkaue. Oder? 

Welche Rolle spielt Eure Beziehung beim Rückruf?

Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, dass Du Deinen Hund verstehst und somit auch Deine eigenen Fähigkeiten als Trainer Deines Hundes verbesserst. Daher rate ich Dir immer, dass Du Dich damit beschäftigst, wie Training überhaupt funktioniert. Erst dann kannst Du Techniken auch wirklich gut umsetzen. 

Dies hat folgenden Hintergrund: Wenn Du nicht weißt, wie Du trainieren musst, wird Dein Hund gar nicht verstehen, was Ihr erreichen wollt.

Ich sage es immer wieder. Es macht keinen Sinn eine Methode über alle Mensch-Hund-Teams zu stülpen. Jeder Hund, und jeder Mensch, ist einzigartig und in Kombination ganz oft auch „speziell“ 😊

Hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Jeder kann eine Anleitung befolgen. Aber nicht jeder kann seinen Hund lesen, verstehen und individuell trainieren.

Frag Dich:

  • Wer ist Dein Hund wirklich?
  • Was motiviert ihn?
  • Wie lernt er am besten?
  • Welche Umweltreize beeinflussen ihn?

Diese Fragen unterscheiden echte Teams von reinen Technik-Umsetzern. Und sie lassen es am Ende leicht aussehen, auch wenn es trotzdem Arbeit ist. Denn auch die beste Beziehung kommt nicht ganz ohne Technik und Fleiß aus. 

Was ein richtig guter Rückruf wirklich braucht

1. Klare Signale mit einer echten Bedeutung

„Komm“, „Hier“, „Pfeife“, „Zurück“ – völlig egal, welches Wort, Geräusch oder Hilfsmittel Du nutzt: Entscheidend ist, dass Dein Hund ganz genau weiß, was das bedeutet und was dabei für ihn rausspringt.

Die 3-Sekunden-Regel: Weniger Drama, mehr Erfolg

Hier kommt mein Lieblings-Gamechanger:

  • Rückruf geben (einmal und klar)
  • 3 Sekunden warten (nicht länger!)
  • Keine Reaktion? BEWEGEN! (Nicht nochmal rufen!)

Warum 3 Sekunden? Länger warten trainiert Deinem Hund an, dass er Zeit zum „Überlegen“ hat. Nach 3 Sekunden ist klar: Er hat andere Prioritäten oder hat nicht verstanden.

Was heißt „bewegen“? Geh zu ihm hin (ohne Drama) oder geh weg (und werde plötzlich interessant). Aber hör auf zu brüllen. Das macht nur Dich heiser und Deinen Hund taub. Und lernt ihm nebenbei auch noch das Zählen.

2. Timing: Der Unterschied zwischen Profi und Pechvogel

Ein guter Rückruf beginnt nicht erst in dem Moment, wo Dein Hund schon 30 Meter entfernt auf eine Fährte abbiegt.
Er beginnt viel früher, bei Dir. In Deiner unmittelbaren Nähe. 
Lerne Deinen Hund zu lesen: Wann schweift er gedanklich ab? Wann spannt sich sein Körper an? Wann ist er noch ansprechbar?

Denn: Je näher der Hund bei Dir ist, je geringer ist der Reiz, je klarer ist Deine Stimme und desto höher ist die Chance, dass Dein Hund den Rückruf auch schaffen kann. Denn wie immer gilt, dass Du bitte nur so trainierst, wie Dein Hund in der Lage ist, die Anforderungen auch bewältigen zu können. 

3. Belohnung, die sich lohnt

Wenn Dein Hund einen Hasen ignoriert und zu Dir kommt, dann muss das für ihn wie Weihnachten und Geburtstag zusammen sein. Nicht wie ein halbherziges „Fein“. Für Dich sollte es sich so anfühlen, als hätte er Dir gerade Dein Leben gerettet. Mindestens!

Das funktioniert:

  • Jackpot-Belohnung = das Beste vom Besten für Deinen Hund. Nicht das, was Du praktisch findest. 
  • Überraschung = mal Futter, mal Spiel, mal Freiheit
  • Echte Freude = nicht gespielt, sondern von Herzen

Das funktioniert nicht:

  • Trockenes Leckerli Nummer 47 des Tages
  • Gelangweiltes „Gut gemacht“
  • Sofort wieder anleinen = Rückruf-Tod!

4. Impulskontrolle & Frustrationstoleranz

Ein Rückruf trotz Ablenkung setzt voraus, dass Dein Hund gelernt hat, Impulse zu kontrollieren:

Also nicht jedem Reiz sofort nachzurennen, sondern Reize wahrzunehmen und trotzdem ansprechbar zu bleiben. Das braucht gezieltes Training. Und Geduld.

Ebenso wichtig ist die Frustrationstoleranz. Das ist die Fähigkeit damit klar zu kommen etwas nicht zu bekommen ohne dabei einen Tobsuchtsanfall zu bekommen und sich extrem aufzuregen.

Beides kann man trainieren. Aber eben nicht „mal kurz im Park“, sondern mit Plan. Und genau hier trennt sich oft die Theorie von der Praxis und die gute Technik von echter Verbindung.

Warum dieser Artikel keine 5-Schritte-Anleitung ist

Ich kann Dich denken hören: „Toll, Sandra. Jetzt habe ich einen ewig langen Artikel gelesen und weiß trotzdem nicht, was ich konkret machen soll! Danke für Nichts!“

Ist das so? Anleitungen wie „5 Schritte zum perfekten Rückruf“ findest Du hundertfach im Netz. Geh los, such sie, frag die KI (die Dir übrigens gute personalisierte Trainingspläne erstellen kann), setz die Techniken um. 

Mein Anliegen ist anders: Ich will, dass Du deinen Hund verstehst. Dass Du Lösungen findest, die für EUCH funktionieren. Nicht für alle. Fühle Deinen Hund. 

Vertraue Dir. Vertraue Deinem Hund. Wende Dein Wissen über Lernverhalten an. Setze alles in Beziehung zueinander.

Das Puzzle wird sich zusammenfügen.

Unter diesem Aspekt hast Du hier gerade sehr viel Input bekommen, der Dich durchaus weiterbringen wird. Wenn Du ihn nicht nur konsumierst, sondern auch fühlst und mit Leben füllen kannst. 

Fazit: Der Rückruf als Liebeserklärung

Ein echter Rückruf ist keine (reine) Gehorsamkeitsübung. Es ist eine Liebeserklärung auf Gegenseitigkeit:

„Ich vertraue dir, dass du kommst. Du vertraust mir, dass sich das lohnt.“

Ich glaub an Dich und Deine Fähigkeiten. Warum? Weil Du sonst Artikel wie diesen hier nicht lesen würdest und nach dem ersten Absatz Google nach „Wie trainiere ich den Rückruf“ gefragt hättest und Dich auf die „5-Schritte-Anleitung“ gestürzt hättest. 

Du willst verstehen, nicht nur nachmachen. Das ist der erste Schritt zum Erfolg!

Und wie immer gilt, wenn Du Unterstützung im Training brauchst, denn melde Dich super gerne bei mir. 

PS:
Wissen wirkt am besten, wenn man es nicht für sich behält.
👉 Schick den Link an Deine Freundin, Deinen Gassipartner oder den Typen aus dem Park,
dessen Hund immer „drüber“ ist. Aus Liebe zum Hund. 🐕 Einfach unten auf einen passenden „Teilen-Button“ klicken. 

FAQ

Rückruf

Wenn Dein Hund bei „Komm“ zuverlässig und freudig zurückkommt: Glückwunsch, dann brauchst Du nichts ändern.
Wenn Du aber öfter „Komm“ sagst und Dein Hund überlegt, ob Du’s ernst meinst: Dann ist es Zeit für ein neues, klares Signal.
Ein neues Rückrufkommando kannst Du ganz einfach mit positiver Verstärkung aufbauen. Mache es kleinschrittig und mit viel guter Laune. 

Ja: Wenn Du bereit bist, genau hinzusehen, zu hinterfragen und ehrlich zu reflektieren.
Du brauchst kein Profi sein, aber Du musst verstehen wollen.
Techniken findest Du überall. Was Du brauchst, ist die richtige Haltung dahinter.
Trainer, die beziehungsbasiert lehren, können aber eine wertvolle Abkürzung sein. 

So lange, wie Dein Hund braucht, um zu verstehen, dass dieses eine Wort immer dasselbe bedeutet und sich für ihn lohnt.
Das ist kein 7-Tage-Projekt. Aber: Mit jedem klaren Training baust Du ein Stück Sicherheit auf.
Denke in Wochen oder Monaten und freu Dich über kleine Fortschritte. Sie zählen. Immer.

Besser nicht. Der Name ist super für Aufmerksamkeit, aber als Rückrufsignal ungeeignet. Warum? Weil wir ihn ständig verwenden. Mit ganz unterschiedlichen Bedeutungen. Ein klares, neues Kommando sorgt für mehr Verständnis beim Hund.
Nutze den Namen, um Aufmerksamkeit herzustellen („Max?“), aber verbinde ihn nicht mit zig widersprüchlichen Bedeutungen. Sieh ihn viel mehr als Ankündigung einer klaren Handlungsanweisung. 
Je eindeutiger Du sprichst, desto leichter hat’s Dein Hund. Und du auch.

Weil Rückruf nicht nur Technik ist, sondern Vertrauen und Beziehung. Wenn Dein Hund nicht zuverlässig kommt, fehlt oft die Klarheit oder  die Motivation. Training hilft, aber echtes Verstehen hilft mehr.

Technik ohne Beziehung ist wie GPS ohne Satellitenverbindung: sieht gut aus, bringt Dich aber nicht ans Ziel.
Verständnis + Technik = nachhaltiger Rückruf.
Wenn Dein Hund nicht nur „funktioniert“, sondern mit Dir kooperiert, wird Rückruf zur gemeinsamen Sache.

Teile diesen Beitrag gerne!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

This field is required.

This field is required.