Was ist ein Abbruchsignal im Hundetraining?

Das Abbruchsignal beim Hund ist ein wichtiges Werkzeug im Hundetraining und sorgt regelmäßig für Diskussionen. Während die einen auf positive Verstärkung und Alternativverhalten schwören, setzen andere Trainer oft auf einen pragmatischeren Ansatz: „Lass es bleiben, Hund! Was danach kommt, entscheidest du selbst.“ Aber was ist zeitgemäß? Und was funktioniert wirklich im Alltag?

Abbruchsignal im Hundetraining: Warum „Lass es bleiben“ manchmal reicht

Ein Abbruchsignal ist ein klar definiertes Kommando, das dem Hund signalisiert: „Beende dein aktuelles Verhalten sofort.“ Es kommt zum Einsatz, wenn der Hund etwas Unerwünschtes oder Gefährliches tut, sei es das Fressen von Giftködern, übermäßiges Bellen oder das Anspringen von Besuchern.

Im Gegensatz zu anderen Hundekommandos gibt das Abbruchsignal keine konkrete Handlungsanweisung vor. Es bedeutet schlicht: „Stopp mit dem, was du gerade machst.“

Typische Abbruchsignale im Hundetraining:

  • „Nein“ oder „No“
  • „Lass es“
  • „Pfui“
  • „Tabu“
  • „Ey“ oder „Hey“

Der große Streit: Brauchen wir überhaupt Abbruchsignale?

Die moderne Hundetrainer-Szene ist gespalten. Auf der einen Seite stehen die Verfechter der ausschließlich positiven Verstärkung, die Abbruchsignale als veraltet betrachten. Auf der anderen Seite praktizieren viele Trainer einen gemischten Ansatz. Und ja, die ewig Gestrigen gibt es halt auch noch. Die hauen immer noch drauf oder rucken feste an der Leine. 

Ist ein „Nein“ eine Strafe für den Hund? 

Oft taucht die Frage auf, ob ein Abbruchsignal automatisch eine Strafe für den Hund ist. Phu, ganz ehrlich? Da regt mich die Frage schon auf.

Nein, ein Abbruchsignal ist keine Strafe im klassischen Sinn. In der Lerntheorie wird es eher als neutrales Unterbrechungssignal verstanden. Technisch betrachtet bewegen wir uns im Bereich der operanten Konditionierung. Der Hund beendet ein Verhalten, weil es sich nicht lohnt, es fortzuführen. Das ist nicht dasselbe wie den Hund für sein Verhalten zu bestrafen, sondern eher ein neutrales Stopp-Signal. Entscheidend ist, wie wir es aufbauen: ruhig, konsequent und ohne emotionale Schärfe.

Ansatz 1: „Nur positive Verstärkung“

Diese Trainer argumentieren: Statt dem Hund zu sagen, was er NICHT tun soll, zeigen wir ihm lieber, was er TUN soll. Unerwünschtes Verhalten wird durch Management verhindert und erwünschtes Verhalten belohnt.

Vorteile:

  • Hund lernt aktiv erwünschte Verhaltensweisen
  • Keine negativen Emotionen im Training
  • Aufbau einer starken Mensch-Hund-Bindung

Nachteile:

  • Nicht in jeder Situation praktikabel
  • Erfordert perfektes Management
  • Funktioniert nicht bei akuter Gefahr, wenn es noch nicht komplett aufgebaut ist

Ansatz 2: „Abbruchsignal mit Alternativverhalten“

Der aktuelle Mainstream kombiniert das Abbruchsignal mit einer sofortigen Alternative. Nach „Nein“ folgt immer „Sitz“ oder „Zu mir“ oder ein anderes Verhalten, was gerade sinnvoll ist. 

Vorteile:

  • Hund weiß, was er stattdessen tun soll
  • Kombiniert Grenzen mit positiver Führung
  • Wissenschaftlich gut dokumentiert

Nachteile:

  • Aufwändig im Aufbau
  • Nicht immer alltagstauglich
  • Kann kleinschrittig werden

Ansatz 3: „Pragmatisches Abbruchsignal ohne Verpflichtung“

Hier kommt mein Ansatz ins Spiel: Das Abbruchsignal bedeutet einfach „Lass es bleiben“, ohne dass der Hund anschließend ein bestimmtes Verhalten zeigen muss.

Vorteile:

  • Alltagstauglich und schnell
  • Hund kann selbst entscheiden, was er als nächstes macht
  • Weniger Mikromanagement nötig

Nachteile:

  • Hund lernt nicht aktiv Alternativverhalten
  • Kann bei unsicheren Hunden Verwirrung schaffen

Abbruchsignal im Hundetraining

So baust Du ein effektives Abbruchsignal auf

Unabhängig davon, für welche Philosophie Du Dich entscheidest, der Aufbau erfolgt ähnlich:

Schritt 1: Grundtraining mit Leckerli

Beginne mit einem Leckerli in der geschlossenen Faust. Sobald der Hund aufhört zu schnüffeln oder zu lecken, sagst Du Dein Abbruchsignal („Nein“) und öffnest die Hand. Versucht er erneut an das Futter zu gelangen, schließt Du die Hand wieder.

Lies gerne den Artikel über „Belohnungen im Hundetraining“ . Hier erfährst Du, wie Du Belohnungen sinnvoll einsetzen kannst. 

Schritt 2: Generalisierung

Übe das Signal mit verschiedenen Objekten, in unterschiedlichen Situationen und mit steigender Ablenkung.

Schritt 3: Alltagstransfer

Wende das Signal in echten Situationen an. Bei Tischschnorren, Mülleimerplünderung oder anderen unerwünschten Verhaltensweisen.

Achtung: Bei sensiblen Hunden ist wichtig, das Signal besonders ruhig und kleinschrittig aufzubauen. Und bei manchen brauchen wir es auch gar nicht, weil sie von sich aus so vorsichtig sind, dass sei eh kein unerwünschtes Verhalten zeigen. Sei es aus Unsicherheit, Angst oder aus besonderer Sensibilität. Jeder kennt ja diese Hunde, bei denen es reicht, nur eine Augenbraue hochzuziehen und sie lassen alles stehen und liegen. Ich hab so einen Hund nicht 😄

Wann ist ein Abbruchsignal wirklich sinnvoll?

Ein Abbruchsignal macht besonders in diesen Situationen Sinn:

Sicherheitssituationen:

  • Giftköder oder verdächtiges Futter
  • Gefährliche Gegenstände
  • Verkehrssituationen

Alltagssituationen:

  • Bellen ohne ersichtlichen Grund
  • Anspringen von Menschen
  • Klauen von Futter
  • Zerstörerisches Verhalten

Management-Situationen:

  • Wenn Alternative nicht sofort verfügbar ist
  • Bei spontanen, unvorhergesehenen Problemen
  • Als „Notbremse“ im Training

Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen

Nach über zwei Jahrzehnten Erfahrung im Hundetraining zeigt sich: Die Realität ist pragmatischer als die Theorie. Ein gut aufgebautes Abbruchsignal ist ein wertvolles Tool, aber es muss nicht immer mit einer Alternative verbunden werden.

Der goldene Mittelweg:

  • Verwende das Abbruchsignal sparsam und gezielt
  • In Gefahrensituationen: Abbruchsignal ohne Alternative ist völlig okay
  • Im Training: Kombiniere es gelegentlich mit Alternativverhalten
  • Sei konsequent in der Anwendung
  • Schrei Deinen Hund nie an! Ein ruhiges, bestimmtes Signal reicht

Mein persönlicher Abbruchsignal-Ansatz im Alltag

Bei mir ist das eine bunte Mischung aus all den genannten Ansätzen. Hier lernt ein Welpe bereits ab Stunde Null, die Bedeutung eines „Neins“. Im Grunde reicht mir im ersten Schritt, das Einstellen des unerwünschten Verhaltens. Was der Welpe danach macht, ist mir ehrlich gesagt egal. Sollte es ein anderer Blödsinn sein, dann kommt das Abbruchsignal abermals. 

Manchmal folgt auf das Abbruchsignal eine Alternative, manchmal aber eben auch nicht. Das entscheide ich eigentlich immer situativ aus dem Bauch heraus. Aber hier mal ein Beispiel, damit es klarer wird: 

Situation A: Zwergnase meint meine Besucher extrem aufdringlich begrüßen zu müssen. Reagiert er auf mein „Lass es“ angemessen und nimmt sich zurück, dann darf er alternativ den Besuch weiterhin begrüßen, solange er freundlich und unaufdringlich ist. Oder ich bringe ihn mit einer Kaustange auf seinen Platz, wenn er diesen schon kennt. 

Situation B: Hund findet leckere Pferdeäpfel auf dem Weg. Ich möchte nicht, dass er sie frisst. Auf mein „Lass es“ hört der Hund auf die Pferdeäpfel zu fressen. Was er stattdessen macht ist mir egal. Er kann zu mir kommen, er kann einfach weitergehen, er kann schnüffeln oder manchmal auch einfach nachfragen, ob ich das jetzt gerade echt ernst meine. 

Abbruchsignal im Hundetraining
Einfach entspannt an den Pferdeäpfeln vorbeigehen. Klares Signal, klare Handlung!

All das hat natürlich auch immer was mit Impulskontrolle zu tu. Je besser ein Hund das verinnerlicht hat, desto leichter fällt ihm die Umsetzung eines Abbruchsignals und die eigene Entscheidung, wie er sich im Anschluss verhält. Bei guter Impulskontrolle brauchst Du Deinem Hund fast kein „Nein“ beibringen. Aber das nur am Rande 

Häufige Fehler beim Abbruchsignal

Fehler 1: Inflationäre Verwendung

„Nein, nein, nein!“ Wer sein Abbruchsignal ständig wiederholt, macht es wirkungslos. Gerade bei Welpen habe ich manchmal das Gefühl, die Hunde denken, dass „Nein“ ihr Name ist. 

Fehler 2: Emotionale Aufladung

Ein scharf geschrieenes „NEIN!“ ist kontraproduktiv und schadet der Beziehung zum Hund. Meist kommt es daher, dass ein Abbruchsignal nie aufgebaut wird. Es wird aber erwartet, dass es denn in Situation X funktioniert.
Hier kommt dann immer die Frage „was tue ich, wenn mein Hund nicht auf ein „Nein“ reagiert? Nun ja, ein „Nein“ ist für einen Hund erst einmal bedeutungslos. Es ist einfach irgendein Laut, den Du von Dir gibst. Die Bedeutung musst Du ihm schon beibringen. 

Fehler 3: Inkonsequenz

Mal durchgreifen, mal durchgehen lassen. So lernt der Hund gar nichts. Oft höre ich Menschen im Training ein „Nein“ sagen. Meinen tun sie aber ein „Vielleicht“ oder ein „Na ja“. Richtig gerne mag ich es, wenn ein „Nein“ mehr als Frage, als als Feststellung formuliert ist. 

Fehler 4: Falsches Timing

Das Signal muss genau dann kommen, wenn das unerwünschte Verhalten beginnt, nicht erst nach einer halben Minute. Wer richtig gut ist, erkennt schon die bloße Absicht bei seinem Hund und greift noch VOR Verhaltensbeginn ein. 

Fazit: Abbruchsignal ja, aber mit Verstand

Ein Abbruchsignal im Hundetraining ist weder Teufelswerk noch Allheilmittel. Es ist ein nützliches Tool, das – richtig eingesetzt – sowohl Hund als auch Halter das Leben erleichtert.

Die Diskussion „mit oder ohne Alternative“ ist oft akademisch. In der Praxis zählt: Was funktioniert für Dich und Deinen Hund? Ein Hund, der nach „Lass es“ eigenständig eine andere Beschäftigung findet, zeigt genau die Selbstständigkeit, die wir uns wünschen.

Die wichtigsten Punkte zusammengefasst:

  • Baue das Signal systematisch auf
  • Verwende es sparsam und gezielt
  • Bleib ruhig und konsequent
  • Eine Alternative ist nice-to-have, aber nicht zwingend erforderlich
  • Der Hund soll lernen: „Wenn Frauchen/Herrchen das sagt, lasse ich es bleiben“

Am Ende des Tages geht es nicht um perfekte Hundetrainer-Philosophie, sondern um einen entspannten Alltag mit dem Vierbeiner. Und manchmal reicht ein einfaches „Lass es bleiben“ völlig aus.

Und Überraschung: Ich bin durchaus der Meinung, dass es legitim ist einem Hund zu sagen, dass er Dinge nicht tun soll. Die Diskussion um die Tatsache, ob es denn noch zeitgemäß ist einem Hund Dinge zu verbieten finde ich ehrlich gesagt grotesk. Natürlich darf man einem Hund ein „Nein“ zumuten. Dass wir das nicht mehr mit fliegenden Klapperdosen oder mit einem Schlag auf den Kopf tun, wie vor 20 Jahren üblich, sollte aber hoffentlich klar sein. 


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FAQ

Abbruchsignal "Nein", "Pfui", "Aus"

Der Aufbau beginnt am besten mit einem Leckerli in der geschlossenen Hand. Sobald der Hund aufhört zu schnüffeln oder zu lecken, sagst Du Dein Signal („Nein“ oder „Lass es“) und öffnest die Hand.

So lernt der Hund: Dieses Wort bedeutet, das Verhalten sofort zu beenden.

Sobald der Hund auf Dein Signal hin, seine Versuche an das Leckerchen zu kommen einstellt, fängst Du an das Training auf andere Situationen zu übertragen.

Beides hat Vorteile. Ein Abbruchsignal allein ist schnell und praktisch, gerade in Gefahrensituationen. Mit Alternativverhalten lernt der Hund zusätzlich, was er stattdessen tun soll.

In der Praxis ist oft ein Mix sinnvoll: manchmal reicht ein „Lass es“, manchmal hilft ein „Sitz“ oder „Zu mir“ danach.

Nein, wenn es richtig aufgebaut ist. Ein Abbruchsignal ist keine Strafe, sondern ein neutrales Signal: „Beende, was Du gerade machst.“ Es ersetzt veraltete Methoden wie Klapperdosen oder körperliche Einwirkungen. Entscheidend ist, dass es ruhig, konsequent und ohne Emotionen gegeben wird.

Schon Welpen können ein Abbruchsignal lernen. Am besten von Anfang an im Alltag integriert. Wichtig ist, es kleinschrittig, freundlich und mit klarer Konsequenz aufzubauen. Je früher der Hund versteht, dass „Nein“ oder „Lass es“ wirklich eine Bedeutung hat, desto leichter wird es im späteren Training.

Dann wurde das Signal vermutlich noch nicht richtig trainiert oder zu selten konsequent eingesetzt. Wiederhole den Aufbau zunächst in einfachen Situationen, bevor Du es im Alltag anwendest.

Wichtig: Ein Abbruchsignal ist kein Zauberwort! Der Hund muss die Bedeutung schon erst lernen, bevor es zuverlässig funktioniert.

Management vs. Training: Warum die meisten Hundehalter es falsch machen

„Aber er MUSS das doch lernen!“ Wenn ich das höre, weiß ich schon, dass ich es mit jemandem zu tun habe, der seit Monaten gegen Windmühlen kämpft. Meistens sind das die gleichen Menschen, die ihren jagenden Hund ohne Leine laufen lassen, weil „der Rückruf muss doch endlich mal sitzen“, während Rehe in Sichtweite grasen.

Herzlich willkommen in der wunderbaren Welt des Hundetrainings, wo gesunder Menschenverstand oft im Urlaub ist.

Der fundamentale Denkfehler beim Hundetraining

Management ist kein Plan B. Es IST Training

Hier die unbequeme Wahrheit: Management ist nicht das kleine, schmutzige Geheimnis des Trainings. Management IST Training. Nur eben die intelligente Variante.

Nahezu jeder unterschätzt die Rolle des Managements und überschätzt die Rolle des Trainings. Management brauchen wir immer. Training ohne Management wird fast nie das Problem des Hundes lösen.

Was ist der Unterschied zwischen Management und Training beim Hund?

Hundetraining im klassischen Sinn bedeutet: Ich bringe meinem Hund bei, anders zu reagieren. Das ist, als würde ich einem Kind beibringen, im Fast Food Laden nur Salat zu bestellen. Theoretisch machbar, praktisch… nun ja.

Hundeverhalten Management bedeutet: Ich gestalte die Welt so, dass mein Hund gar nicht erst in die Bredouille kommt, falsch zu reagieren. Das ist, als würde ich mit dem Kind einfach nicht zu Mc Donalds, Burger King und Co gehen.

Welche Strategie hat wohl die höhere Erfolgsquote?

Bei welchen Hundeproblemen ist Management unverzichtbar?

Diese Hundetraining-Bereiche brauchen zwingend Management. Auch wenn das immer niemand hören will:

Ressourcenverteidigung: Du kannst Deinem Hund hundertmal erklären, dass Teilen toll ist. Wenn er täglich um sein Futter „kämpfen“ muss, weil Kinder, andere Hunde oder gutmeinende Erwachsene ihn dabei stören, trainierst Du ihn systematisch zum Ressourcenverteidiger. Herzlichen Glückwunsch!

Jagdverhalten: „Aber der Rückruf klappt doch zu Hause so gut!“ Ja, klar. Zu Hause läuft auch kein Reh vorbei, das 50.000 Jahre Evolution in Deinem Hund aktiviert. Dein „Hier“-Kommando gegen den Jagdinstinkt ist wie ein Flüstern gegen ein Rockkonzert.

Reaktivität und Angst: Hier wird es besonders absurd. Hundehalter schleppen ihre ängstlichen oder reaktiven Hunde täglich in Situationen, die sie stressen, „damit er sich endlich dran gewöhnt.“ Das ist wie Therapie durch Waterboarding. Spoiler: Funktioniert nicht!

Impulskontrolle: Der Welpe, der jeden Tag erfolgreich die Besucherschuhe anknabbern kann, lernt nicht „das darf ich nicht.“ Er lernt „Besucherschuhe sind mega lecker.“ Jeden. Verdammten. Tag.

Warum Hundetraining ohne Management wie Sisyphos-Arbeit ist

Kann man Hundeverhalten nur durch Training ändern?

Kurze Antwort: Nein.

Lange Antwort: Das wäre, als würdest Du versuchen, abzunehmen, während du permanent vor einem Buffet sitzt. Du gehst jeden Tag ins Fitnessstudio, machst brav Deine Übungen. Aber den Rest des Tages musst Dir ständig verkneifen, zuzugreifen. Wie lange hältst Du das durch?

Genau das machst Du mit Deinem Hund, wenn Du ohne Management trainierst.

Jedes unerwünschte Verhalten, das Dein Hund zeigen kann, verstärkt sich selbst. Der Hund, der erfolgreich den Postboten „vertreibt“ (der sowieso weitergegangen wäre), fühlt sich wie ein Held. Das Verhalten ist also selbst belohnend. Du kannst eine Stunde am Tag üben, dass Bellen doof ist, aber 23 Stunden am Tag beweist die Realität das Gegenteil.

Hund bellt am Gartenzaun Management vs. Training

Gegenkonditionierung beim Hund ist nur mit Management möglich

Gehen wir von einem Hund aus, der auf andere Hunde speziell reagiert. Sprich, er springt brüllend in die Leine.

Stell Dir die Reaktivität wie eine körperliche Verletzung vor. Eine Ruhepause von der Ursache der „Verletzung“ (was Deinen Hund immer wieder triggert) sowie eine schrittweise Rehabilitation (mithilfe einer Gegenkonditionierung) sind notwendig, um Deinen Hund wieder in ein normales Leben zu führen.

Um das große Thema Reaktivität richtig anzugehen, muss Management und Training Hand in Hand gehen.

Management vs. Training im Hundetraining

Jeder von uns hat eine intuitive Vorstellung davon wie wir eine körperliche Verletzung behandeln. Knickt jemand im Sport um, werden wir wahrscheinlich die Verletzung kühlen und das Bein hochlagern. Dies ganz ohne Zutun eines Arztes. Wir wenden das ganz intuitiv als Erstmaßnahme an.

Problemverhalten beim Hund ist wie eine Verletzung des Körpers zu behandeln

Dahingegend fällt es uns schwer uns eine Behandlung von einem Problemverhalten vorzustellen.

Angenommen, wir als Mensch verletzen uns beim Sport. Besteht unser Ziel nun darin, irgendwann wieder in den Sport zurückzukehren? Wahrscheinlich Ja!

Glaubst Du, dass wir dieses Ziel erreichen, wenn wir mit der Verletzung unser Training wie gewohnt ohne Pause und / oder ohne Physio-Behandlung weiterführen? Wahrscheinlich nicht!

Pause = Stopp des Auslösers, der die Verletzung verursacht hat

⇓ bedingt

Erholung = idealerweise eine Rückkehr in den Zustand vor der Verletzung

Ziel des Managements beim Umlenken von Verhalten

Und so ist es auch mit den Hunden.
Besteht unser Ziel darin, dass der Hund irgendwann entspannt spazieren gehen und ein “normales Leben” führen kann? Wahrscheinlich ja!

Aber werden wir das Ziel erreichen, wenn wir den Hund ständig Situationen aussetzen, die das Problem verschlimmern? Wahrscheinlich nicht!

Management = Stopp der Auslöser, die das Verhalten aufrecht erhalten

⇓ bedingt

Training = idealerweise eine komplette Umkehr der CER (konditionierte emotionale Reaktion) des Hundes

Das Aussetzen von auslösenden Situationen erhöht die Reaktivität!
Mit jeder Situation, die das Verhalten auslöst, wird dieses tiefer im Hund verankert!

Management im Hundetraining richtig abbauen: Die Kunst des richtigen Timings

Wie lange braucht man Management beim Hundetraining?

Hier kommt der Teil, den die meisten komplett vergeigen: Management im Hundetraining ist kein lebenslanger Zustand. Es ist ein Werkzeug. Aber – und das ist wichtig – es ist kein Werkzeug, das man nach dem ersten Erfolgserlebnis wegwirft.

Management abzubauen ist wie das Abnehmen von Stützrädern beim Fahrradfahren. Zu früh, und das Kind knallt auf die Nase. Zu spät, und es lernt nie richtig fahren. Das Timing muss stimmen.

Der Abbau erfolgt in Micro-Schritten. Nicht: heute Management, morgen Chaos. Sondern: heute, bei der netten Nachbarin ohne Management, morgen wieder oder immer noch mit Management beim „verhassten“ Paketboten.

Und hier die schlechte Nachricht für alle Perfektionisten: Rückschritte sind normal. Sie bedeuten nicht, dass Du versagt hast. Sie bedeuten, dass Dein Hund ein Lebewesen ist, kein Roboter. Je länger Dein Hund das Fehlverhalten bereits zeigt, desto eher wird er in, für ihn, schwierigen Situationen darauf zurückgreifen. 

Warum Menschen lieber leiden als managen

Menschen sind seltsame Wesen. Wir verstehen Management in allen anderen Lebensbereichen: Wir schließen die Haustür ab (Management gegen Einbrecher), tragen Sicherheitsgurte (Management gegen Unfallfolgen), und setzen Passwörter (Management gegen Hacker).

Aber beim Hund? Da wird Management plötzlich zu „Schwäche“ oder „dem Problem ausweichen.“

Grund 1: Das Helden-Syndrom Training fühlt sich heroisch an. „Ich arbeite mit meinem Hund, ich löse Probleme!“ Management fühlt sich an wie… organisiert sein. Langweilig.

Grund 2: Die Ego-Falle „Andere schaffen das doch auch ohne Management!“ (Spoiler: Nein, tun sie nicht. Gutes Management ist nur nicht sichtbar.)

Grund 3: Die Sichtbarkeits-Falle Niemand applaudiert, wenn Dein Hund ein Problem gar nicht erst hatte. Aber alle sind beeindruckt, wenn er auf Kommando damit aufhört. Dumm nur, dass Variante zwei hundertmal stressiger ist.

Train smarter, not harder: Die Formel für entspannte Hundehalter

Hier meine Erfolg Tipps für eine gelungene Kombination von Training und Management bei der Ausbildung von Hunden, nach 25 Jahren im Business:

Wie kombiniert man Training und Management beim Hund optimal?

Management + Training = Erfolg
Training – Management = Burnout
Management – Training = Stillstand

Die meisten Hundehalter wählen Burnout. Jeden Tag aufs Neue.

Smartes Hundetraining bedeutet:

  • Den einfachsten Weg zum Ziel wählen (auch wenn er dem Ego nicht schmeichelt)
  • Dem Hund Erfolgserlebnisse ermöglichen, statt ihn täglich scheitern zu lassen
  • Energie für die wichtigen Kämpfe aufsparen, statt sie für vermeidbare zu verschwenden

Lies dazu gerne auch den Artikel über Timing im Hundetraining.

Es ist wie beim Schach: Der beste Zug ist nicht immer der spektakulärste. Manchmal ist es einfach der, der funktioniert.

Management v. Training Train smarter not harder

Praxisbeispiel: Hund springt Besucher an. Management vs. Training

Bella, 2 Jahre, Labrador-Mix, Problem: Springt jeden Besucher an, als wäre er ein lang vermisster Verwandter. Die Besitzer sind verzweifelt, der Besuch mit so viel „Liebe“ überfordert.

Szenario A „Die Masochisten-Variante“ (nur Training): Jeden Tag kommen „Trainingsbesucher.“ Bella springt. „NEIN! Sitz!“ Bella hört nicht, ist viel zu aufgeregt. Besucher werden umgerannt, Nerven liegen blank. Nach 6 Monaten: Bella springt immer noch. Trainingsbesucher haben keine Lust mehr. Echte Besucher werden gemieden. Erfolgsquote: 0%.

Szenario B „Die Verzweifelte Variante“ (nur Management): Bella wird bei jedem Besuch ins Schlafzimmer gesperrt. Sofort Ruhe. Aber Bella wird bei jedem Mucks vor der Schlafzimmertür zum Berserker. Die seltenen Momente ohne Management eskalieren komplett, weil sie noch aufgestauter ist. Soziale Kontakte der Familie gehen gegen Null. Lösung: Temporär. Langzeitergebnis: Verschlimmerung.

Szenario C „Die Intelligente Variante“ (Management + Training): Bella wird vor Besuch an die Leine genommen (Management). Besucher ignorieren sie komplett, bis sie ruhig ist, erst dann Aufmerksamkeit (Training). Wenn sie zu aufgeregt wird, kurze Auszeit an der Leine (wieder Management).

Nach 4 Wochen: Erste Erfolge mit bekannten Besuchern. Nach 3 Monaten: Leine wird nur noch bei sehr aufregenden Besuchern gebraucht. Nach 6 Monaten: Bella begrüßt höflich, weil sie gelernt hat, dass das viel mehr Aufmerksamkeit bringt.

Erfolgsquote: 95%. Stresslevel aller Beteiligten: Minimal.

Die unbequeme Wahrheit

Management ist nicht sexy. Es ist nicht Instagram tauglich. Es löst keine „Wow-Momente“ aus.

Aber weißt Du was? Es funktioniert.

Und wenn Du lieber funktionierende Lösungen willst als spektakuläre Geschichten, dann hör auf, Deinem Hund und Dir selbst das Leben schwer zu machen.

Dein Hund ist kein Projekt, das Du reparieren musst. Er ist ein Lebewesen, das in einer für ihn oft unverständlichen Welt navigieren muss. Management ist die Landkarte, Training der Kompass.

Ohne Landkarte nützt auch der beste Kompass nichts und Ihr lauft trotzdem im Kreis.

Also: Nimm die Abkürzung. Dein Hund wird es Dir danken. Deine Nerven auch. Und Deine Besucher sowieso.

Fazit

Training und Management im Hundetraining verhalten sich wie ein Haus. Das Management bildet unser Fundament und das Training sind die Stockwerke, die aber nur auf einem starken Fundament gebaut werden können.

Im Trainingsprozess ist es daher ratsam die Situationen, die den Hund zum Ausflippen bringen auf ein Minimum zu reduzieren:

  • Sollte der Hund durch andere Hunde aus der Fassung geraten, dann geh nicht gerade dann spazieren, wenn alle anderen das auch tun, bzw. suche Dir Gebiete, die nicht hoch frequentiert sind.
  • Ein Hund, der z. B. ein Thema mit Bellen am Gartenzaun hat, sollte nicht alleine im Garten sein und seiner „Leidenschaft“ weiter frönen.
  • Ein Hund, der durch Besucher, Lieferanten oder generell Menschen getriggert wird, sollte bei Besuch in einem anderen Raum sein, wenn Du Besuch erwartest oder Dein Postbote regelmäßige Zeiten hat.

Der beste Hundetrainer der Welt wird Euch nicht helfen können, wenn der Hund weiterhin sein bisheriges Verhalten verankern kann.

Daher verzichte nie auf ein kluges und proaktives Management!

Wenn Du Dir eine Stunde Zeit nimmst, um Dein Management zu planen, kann das Deinen Trainingserfolg um Wochen oder gar Monate beschleunigen.

Mache es Dir und Deinem Hund daher nicht unnötig schwer.

Ich habe so viele Teams gesehen, die von Trainer zu Trainer laufen und Dinge zwar kurzzeitig besser wurden, aber dann am Ende schlimmer endeten, als sie je waren.

Das kann zum Einen am falschen Trainer liegen, am nicht klar kommunizieren von Hintergrundwissen oder schlicht an der Tatsache, dass man als Hundehalter dann eben doch nicht so trainiert hat, wie man sollte oder zwar trainiert, das Management aber vernachlässigt hat.

Und wenn Du nicht weißt, wie Du Management für Deinen Hund konkret umsetzt, lass uns drüber reden. Es spart dir Monate an Frust. Versprochen! 

FAQ

Management vs. Training in der Hundeerziehung

Nein, Du sollst Deinen Hund nicht isolieren. Das Ziel besteht darin, zu verhindern, dass Dein Hund das unerwünschte Verhalten wiederholt und darin, seinen Stress gering zu halten. Das Management erfordert jedoch eine Anpassung der Auslöser. Dein Hund braucht weiterhin Bewegung, Du musst nur Wege finden, seine Bedürfnisse zu erfüllen, ohne dass er seine Schwelle für unerwünschtes Verhalten überschreitet.

Viele Hunde zeigen dieses Verhalten. Die Leine stellt für Hunde eine Barriere dar, die Frust auslöst.

Darüber hinaus können auch andere Faktoren eine Rolle spielen, die dazu führen, dass ein Hund beim Spazierengehen nur an der Leine reagiert. Hier wäre als Beispiel ein in der Vergangenheit erfolgter Leinenruck zu nennen, der dazu geführt hat, dass unser Hund den dadurch verursachten Schmerz mit anderen Hunden verknüpft hat.

Das bedeutet einfach, dass das Training an der Leine stattfinden muss, da wir an der Leine eine positive Assoziation mit dem Auslöser aufbauen müssen.

Obwohl wir die Auslöser einzeln trainieren können, möchten wir alle Auslöser unseres Hundes so gut wie möglich in den Griff bekommen, damit er das unerwünschte Verhalten nicht weiter einstudiert.

Daher mein Rat, wenn Du eh schon beim Management bist, dann mach es von Anfang an richtig und versuche so viele blöde Situationen wie möglich von Beginn an zu vermeiden.

Das Ziel besteht darin, dass ein Management nicht mehr erforderlich ist, sobald der Hund eine neue positive emotionale Reaktion auf den Auslöser entwickelt hat. Mit den Fortschritten, die Du und Dein Hund im Training machst, sollte auch der Aufwand des Managements verringert werden können. Somit auch hier noch mal: Je besser Dein Management am Anfang, desto schneller hast Du es auch wieder hinter Dir!

Es gibt einige Faktoren, die bestimmen, wie lange das Training dauert, wie zum Beispiel

  • wie lange hat der Hund sein unerwünschtes Verhalten schon, sprich, wie tief verankert ist es
  • wie intensiv das Verhalten ist
  • wie gut das Management ist
  • wie erfolgreich und konsequent die Trainingseinheiten sind

Die Bereitschaft eines Hundes etwas zu ändern, geschieht nicht über Nacht. Wenn wir bei der Führung und Ausbildung konsequent bleiben , sollten wir stetige und schnelle Fortschritte sehen.

Wenn Du Dich für die Option entscheidest, Deinen Hund bei Besuch alleine in einem Zimmer zu lassen, musst Du ihn zunächst daran gewöhnen, dass er dort ohne Besuch bereits bleiben kann.

Das heißt, plane Trainings ein, in denen der Hund alleine im Zimmer ist und sich wohlfühlt. Du kannst auch Musik oder den Fernseher anmachen, damit sie die Geräusche der Besucher übertönen. Gib Deinem Hund etwas zum Kauen, damit er sich entspannen kann.

Eine andere Möglichkeit besteht darin, die Besucher draußen zu empfangen, dort Leckerlis schnüffeln zu lassen und dann mit den Gästen hineinzugehen. Sobald Ihr drinnen seid, gib Deinem Hund etwas zum Kauen, damit er sich entspannen und die Anwesenheit der Besucher verarbeiten kann. Verwende bei Bedarf Babygitter, Laufställe oder eine Leine.

Wenn Du nicht vorhersagen kannst, wann der Auslöser kommt, kannst Du Dich nur bestmöglich vorbereiten, um Deinen Hund im Fall des Falles schnell zu beruhigen.

Es kann dafür sehr hilfreich sein, Leckerlis in der Nähe der Tür aufzubewahren, damit Du sie schnell verteilen kannst und der Hund schnell ins Schnüffeln kommt, wenn er getriggert wird, sodass er nicht über längere Zeit über der Reizschwelle bleibt.

Oder ganz pragmatisch – Du bestellst einfach weniger im Internet 😉 

Meine Hunde! Meine Regeln! Mein Chaos! – Ein Blick hinter die Kulissen

Huiuiui! Wenn Du Dich hier so durch den Blog liest, könntest Du zu dem Schluss kommen, ich hätte die Weisheit mit Löffeln gefressen und hier läuft immer alles wie im Bilderbuch.

Ähm… lass mich kurz überlegen… nein!

Perfekt? Eher perfekt unperfekt!

Okay, das mit den Löffeln stimmt. Aber es sind eher Teelöffel als Suppenkellen. Die Teelöffel mit den Erhebungen in der Mitte, damit man weniger Zucker verwendet. Ja, ich habe massenhaft theoretisches Wissen, trotzdem weiß ich, was ich nicht weiß!

Nein, das mit dem „perfekt“ stimmt nicht. Schon gar nicht immer.

Auch Hundetrainer haben Zeitprobleme

Ich bin auch nur ein Mensch und meine Hunde sind auch nur Hunde. Nur weil ich Hundetrainerin bin, heißt das nicht, dass hier alles glattläuft. Ich weiß vielleicht mehr und kann an Dingen anders arbeiten als Du. Aber hey, ich müsste es dann halt auch tun.

Ich habe meine Hundeschule, einen Hauptjob und aktuell drei Hunde (nächstes Jahr hoffentlich vier). Somit habe ich eigentlich dauernd ein Zeitproblem.

Je nach Jahreszeit oder eigener Verfassung heißt das unterm Strich, dass ich nichts mehr richtig auf die Kette bringe. Da Beruf und Business irgendwie immer laufen müssen, sind es ganz oft meine eigenen Hunde, die hinten runterfallen.

Das schlechte Gewissen kennt jeder

Weißt Du, wie oft ich ihnen gegenüber ein schlechtes Gewissen habe? Weil der Spaziergang mal wieder schnell zwischen 2 Terminen stattfindet oder gar ganz ausfällt. Oder weil ich eigentlich etwas zur Beschäftigung mit ihnen tun wollte, aber einfach nicht dazugekommen bin. Weil sie als Trainerhunde manchmal eigentlich unfaire Leistungen erbringen müssen.

Ich weiß also ganz genau, wie es Dir geht, wenn Du hier zwar die Artikel liest, hochmotiviert das Handy weglegst, um Dinge mit Deinem Hund zu üben und nach 2 Tagen alles wieder verpufft ist, weil einfach mal wieder keine Zeit war.

Ich habe mir schon so oft vorgenommen getrennt mit den Hunden Gassi zu gehen, damit sie auch mal mit sich selber klarkommen müssen und nicht immer das Rudel als Background dabei haben. Gerade der kleinen Zazu würde das sehr gut tun. Ja, in 95% der Fälle bleibt es dann auch bei dem Vorhaben. Und ja, da ärger ich mich sehr über mich selber. 

Meine persönliche Dauerbaustelle: Die Terrassentür

Jeder hat diese eine Stelle, an der er scheitert. Meine: die Terrassentür.

Die Hunde rennen hier raus, als wenn ich sie sonst den ganzen Tag im Keller einsperre und sie seit 3 Wochen kein Tageslicht mehr gesehen hätten.

Egal, ob ich vor der Tür rumhüpfe wie Rumpelstilzchen, ob es mir einfach sch…egal ist, ob die da rauskacheln oder nicht oder ob ich es mit pädagogisch wertvollen Erziehungsmaßnahmen versuche. Langfristig hat sich hier noch nie was geändert.

Im Grunde habe ich es aufgegeben, das ändern zu wollen. Julia und Andi von der Tierphysio Feist werden es schon wieder richten. (Unbezahlte Werbung. Absolute Herzensempfehlung!) Trotzdem bekomme ich immer mal wieder einen „Konsequenzanfall“. Erfolgsquote: überschaubar.

Ganz ehrlich? Manchmal habe ich das Gefühl, die lieben Tiere lachen mich dabei aus. Frei nach dem Motto:  „Ach, die Olle hat wieder ihre Phase. Einfach aussitzen, das vergeht!“ Kennst Du diesen einen Blick Deines Hundes, der genau das auszusagen scheint, auch?

Konsequent? Bin ich! Konsequent inkonsequent!

Hier sind wir auch schon beim nächsten Thema: Die liebe Konsequenz. Also, nun gut. Die Queen dieser Disziplin bin ich jetzt nicht.

Während ich in einem Junghundekurs so über Konsequenz philosophiere, fährt in meinem Kopf ein Feuerwehrauto blau Karussell. Das kleine Teufelchen auf meiner Schulter grinst schelmisch und flüstert mir ins Ohr: „Ja ja, Sandra, Wasser predigen und Wein saufen. Ganz mein Humor!“ Ich komm mir da echt leichtsam schizophren vor. Meine Ausrede? Ich bin konsequent inkonsequent. Na also, geht doch!

Konsequenz im Hundetraining - wenn der Trainer versagt

Nein, im Ernst jetzt. Bei echt wichtigen Regeln bin ich schon konsequent. Aber das sind ja nicht viele hier bei uns. Viel mehr haben wir so Dinge wie z. B. das ordentliche neben mir laufen in allerlei Begegnungen oder an der Leine. Ich geb’s zu, es ist mir ganz oft viel zu anstrengend, hier konsequent auf den festgelegten Abstand zu achten oder ob sich die Hunde danach selber auflösen. Da latsche ich dann so übers Feld, der Fahrradfahrer ist vorbei, ich will meine Hunde auflösen und sehe dann, die sind schon 50 Meter weiter. Ja wurscht, jetzt ist es auch schon zu spät.

Kleiner Trost für mich: Ich weiß, dass ich all diese Dinge von meinen Hunden einfordern könnte, wenn ich wollte. Sie haben das schließlich alle mal „in Schön“ gelernt. Und zwar konsequent!

Das beruhigt dann auch das Feuerwehrauto in meinem Kopf wieder. Das Engelchen auf der anderen Schulter lächelt süffisant und flüstert mir ins Ohr: „Passt schon, Sandra, wenn es nötig ist, dann kannst du das mit der Konsequenz ja. Also, lass die Teilnehmer von deinen guten Phasen lernen. Das bisschen Bequemlichkeit sei dir gegönnt!“

Piep, piep, piep, wir ham uns alle lieb. Meistens! 

Und jetzt verrate ich Dir noch ein ganz großes Geheimnis:

Ja, mich nerven meine Hunde auch öfter mal. Was ich hasse, ist ihre innere Uhr. Wenn sie mir sagen wollen, dass jetzt Zeit zum Spazierengehen oder fürs Futter ist. Himmel, weitere 3 Individuen, die was vom mir wollen. Und dabei gibt es gar keine festen Futter- und Gassizeiten. Also nicht bei mir. Bei meinem Mann sind sie da erfolgreicher. 

Was mich zur Weißglut bringt, ist wenn ich Dinge 3x sagen muss und schon beim 1. und 2. Mal das Gefühl hatte, dass sie mal wieder in der Testphase sind und hinterfragen, ob Regeln wirklich noch gelten. Bei 3 Hunden ist immer einer in dieser Phase. Da könnt ich ihnen manchmal echt den Koffer vor die Tür stellen. Also kurzzeitig.

Ich finde, es ist legitim, auch mal so zu fühlen. Nur weil es unsere Hunde sind, müssen wir die ja nicht 24/7 glückselig anstrahlen. Vor allem nicht, wenn sie nur noch bunte Knete im Kopf haben. Wollte ich jetzt nur gesagt haben, falls der Eindruck bestehen sollte, dass ich trotz aller positiven Herangehensweise nicht auch mal negativ auf meine Hunde reagiere.

Reibung gehört zu einer guten Beziehung dazu

Das Zusammenleben hier ist wahrscheinlich genauso wenig immer eitel Sonnenschein wie bei Dir und Deinem Hund. Gut so. Zu einer guten Beziehung gehören nun mal auch Reibung und Diskussionen. Solange man es immer wieder auf die Reihe bekommt und sich wieder lieb hat, solange ist in meinen Augen alles gut.

Ich habe meine Hunde ja hin und wieder auch im Training dabei und ich höre so oft: „Oh, es ist so beruhigend, dass auch du mal was zwei Mal sagen musst“ oder „Ach wie schön, bei dir funktioniert ja auch nicht immer alles“. Liebe Leute, was denkt ihr von mir? 

Fazit: Nimms locker, niemand ist immer „on point“! 

Ich bin ein Mensch mit Stärken und Schwächen. Meine Hunde sind Hunde, keine Roboter und das Leben hier ist nicht gnädiger als Deins. Wir sind hier nicht perfekt. Eher perfekt unperfekt!

Ich kann all die Gefühle nachempfinden, die Du im Training hast. Ich weiß, wie es ist, einen Blog oder ein Buch zu lesen und zu der Erkenntnis zu kommen: „Ähm ja, weiß ich eigentlich. Aber ich sollte es dann halt auch mal tun.“

Ich bin mir sowohl meiner Stärken als auch meiner Schwächen bewusst. Und ich weiß, dass ich nicht alles richtig mache oder einfach auch aus Bequemlichkeit halt dann auch gar nicht. Allerdings gebe ich aber am Ende nicht den Hunden die Schuld.  Wenn’s nicht funktioniert, dann muss ich mir schon selber in den Hintern beißen. Schließlich hätte ich es ja einfach richtig machen können.

Du siehst, es ist nicht alles Gold, was glänzt, und nur weil ich hier jede Woche blogge und meine geistigen Ergüsse mit Dir teile, bin ich nicht perfekt und schon gar nicht allwissend.

Ein bisschen Selbstoptimierung betreibe ich natürlich schon. Ich möchte mich ja nicht ständig auf meine Ausreden verlassen und bin daher auch immer dankbar, wenn ich gute Anregungen bei Kollegen entdecke und arbeite durchaus an Dingen, die mir wichtig sind. Darum geht es mir heute aber gar nicht. Mir ist wichtig, dass Du weißt, dass hier kein abgehobener Nerd schreibt, sondern ein ganz normaler Mensch. Ich hoffe, es ist mir gelungen! 


Nächste Woche geht es wieder mit Wissen weiter! Wenn Du einen Themenwunsch hast, den ich hier behandeln soll, dann schreib mir unbedingt. Wenn ich dazu eine Meinung habe, dann werde ich sie hier veröffentlichen. 

Kleinhunde Erziehung: Warum kleine Hunde oft verhaltensauffällig werden

Sie bellen, sie schnappen, sie hängen in der Leine und trotzdem bekommen sie oft ein verächtliches Lächeln und ein „Na, wieder einer mit großem Ego auf kleinen Beinen?“

Kleinhunde haben ein Imageproblem. Nicht, weil sie schwieriger wären als große Hunde, sondern weil wir Menschen es oft nicht schaffen, sie ernst zu nehmen. Dabei zeigen viele kleine Hunde völlig normale Verhaltensweisen. Allerdings in einem Körper, den wir nicht so recht ernst nehmen wollen. Das ist nicht nur unfair, sondern auch gefährlich. Für den Hund, für seine Umwelt und vor allem für das Vertrauensverhältnis zwischen Mensch und Tier.

In diesem Artikel zeige ich Dir, wie solche Verhaltensweisen entstehen, warum sie bei Kleinhunden so häufig auftreten und was eine faire, klare und konsequente Kleinhunde Erziehung damit zu tun hat.

Warum Kleinhunde oft „auffällig“ werden

Das Problem beginnt bereits im Welpenalter

Kleinhunde fallen auf. Nicht, weil sie es wollen. Sondern weil wir sie in eine Sonderrolle schieben: niedlich, handlich, unkompliziert. Das führt oft dazu, dass kleine Hunde keine echten Grenzen erfahren, wenig förderliche Sozialkontakte haben und viel zu oft übergriffig behandelt werden. Ohne es zu merken, bringen wir ihnen bei, dass sie sich nur mit Abwehrverhalten oder Aggression durchsetzen können. Und dann wundern wir uns, wenn sie „nicht sozialverträglich“ sind.

Als Welpe führt so ein kleiner Hund, wie alle Welpen, zum durchgängigen Milcheinschuss bei seiner Besitzerin. Auch die Herren der Schöpfung können sich der Charmoffensive kaum entziehen. Anders als große Rassen halten sie diesen Status aber viel länger. Der 5 Monate alte Mali hat schon einiges an Niedlichkeitsfaktor eingebüßt, der Havaneser aber leider nicht. 

Kleine Hunde wirken hilflos, süß und oft wie ein Kuscheltier. Viele Menschen behandeln sie auch so: sie werden hochgenommen, getätschelt und vermenschlicht. Grenzen? Fehlanzeige. Konsequenz? „Ach, der ist doch so klein.“

Typische Fehler in der Kleinhunde Erziehung:

  • Übergriffiges Verhalten wird toleriert (Hochheben gegen den Willen des Hundes)
  • Warnzeichen werden als „herzallerliebst“ abgetan
  • Fehlende Konsequenz bei Grenzsetzungen
  • Mangelnder Respekt vor den Bedürfnissen des Hundes

Spannend ist aber doch, warum tun wir Menschen das? Viele Kleinhunde teilen sich ein gemeinsames Schicksal. Sie werden einfach nicht ernst genommen. Nur weil sie klein sind, sind sie ja nicht weniger Hund. Kleinhunde werden nicht groß, aber verdammt noch mal erwachsen. 

Der falsche Umgang mit Angst und Unsicherheit

Viele kleine Hunde erleben täglich Situationen, die sie überfordern: große Artgenossen, zu viel Trubel, hektisches Anfassen, ungefragtes Hochheben. Statt sie zu schützen, zwingen viele Menschen sie durch Ängste hindurch. Der Hund lernt: Ich bin auf mich allein gestellt. Also wird er laut. Oder beißt. Oder zeigt andere Strategien, um sich Raum zu verschaffen.

Der entscheidende Unterschied: Respekt

Stell Dir vor ein Hund von der Größe eines Australian Shepherd  (also jetzt nicht die Zwergenvariante einer Zazu) steht knurrend vor Dir. Was tust Du? Nimmst Du ihn ernst? Ich denke schon! Im ersten Moment wirst Du wahrscheinlich den Abstand zum Hund vergrößern.

Bei Kleinhunden fehlt dieser Respekt leider ganz ganz oft. Sie zeigen die gleichen Signale wie große Hunde. Aber sie werden ignoriert. Über einen keifenden Chihuahua lächelt man hinweg. Genau hier liegt das Problem der Kleinhunde Erziehung.

Alle Anzeichen von einer eigenen Persönlichkeitsentwicklung werden ignoriert. Ist der Hund wütend oder „aggressiv“ wird darüber gelacht und man findet es „herzallerliebst“ wenn sich das Kleini durchsetzen will. Wenn er es am Ende dann auch tut, ist der Jammer groß! 

Wie Hunde Ihre Grenzen kommunizieren 

Ganz viele dieser Hunde erdulden diese Übergriffigkeiten ihr Leben lang. Sie haben sich daran gewöhnt, dass niemand auf ihre Signale und Wünsche achtet. Diese Hunde leiden zwar, ertragen es aber oft still. 

Aber es gibt auch die Charakterhunde unter den kleinen Hunden. Die, die von Anfang an gesagt haben, dass sie Hunde sind und bitte auch so gesehen werden möchten. Und wenn dieses Bedürfnis ignoriert wird, werden sie deutlich. Was ist das deutlichste Mittel für einen Hund? Richtig, seine Zähne. Und die setzt er ein. Er hat gelernt, dass das der effektivste Weg ist, sich Unangenehmes vom Leib zu halten. 

Jeder Hund zeigt wirklich viele Signale. Er beschwichtigt, er keift und wenn das nicht gesehen wird schnappt er. Dabei ist er schnell und präzise.

Die Warnsignale richtig deuten 

Bevor ein Hund schnappt oder beißt, sendet er verschiedene Warnsignale aus. Diese Signale zu ignorieren ist ein häufiger Fehler in der Kleinhunde Erziehung.

Beschwichtigungssignale erkennen:

  • Wegdrehen des Kopfes oder Körpers
  • Schmatzen und Lefzen lecken
  • Gähnen in unpassenden Situationen
  • Unruhiges „Herumfiddeln“

Letzteres wird ganz oft als Spielaufforderung missverstanden und der Hund weiter bedrängt. 

Werden diese Beschwichtigungssignale nicht gesehen kommen Drohgebärden hinzu. Die Erfahrung zeigt, dass ganz wenige Menschen sich mit der Körpersprache von Hunden auskennen und diese dann entweder völlig fehlinterpretiert oder schlicht ignoriert wird. 

An dieser Stelle sei gesagt, dass ich es ganz furchtbar finde, wenn man Hunden das Knurren verbietet. Man nimmt ihm damit ein wichtiges Kommunikationsmittel. Erlebe ich wirklich oft in der Hundeschule, dass Hund fürs Knurren gemaßregelt werden. Na ja, ist halt das erste Anzeichen, was wir so als eher grobmotorischer Mensch an Kommunikation mitbekommen haben.  

Hunde nutzen Drohgebärden unter anderem, um ihre Unzufriedenheit auszudrücken und eine Distanzvergrößerung zu erreichen. Dabei ist nicht jeder Hund in der Lage alle Anzeichen zu zeigen. Schlappohren lassen sich nicht anlegen, manchen Fellarten lassen sich nicht aufstellen. Aber jeder Hund wird Anzeichen aus der Palette der Drohgebärden zeigen können. 

Defensives Drohen 

Ohren und Rute: Die Ohren werden nach hinten oder unten angelegt, die Rute geht nach unten und wedelt evtl. minimal. Manchmal wird sie auch unter den Bauch geklemmt. 

Augen und Blick: Mandelförmige Augen mit viel weiß, abgewendeter Blick (Walauge, Whale Eye oder Half-Moon-Eye genannt) 

Gesichtsausdruck: nach hinten gezogene Lefzen mit abgerundeten Mundwinkeln,  Zähne sichtbar, Zunge nicht sichtbar, gekräuselter Nasenrücken. 

Körperhaltung: Der Hund versucht, sich klein zu machen, geduckten Gang, nach hinten verlagertes Körpergewicht. Kopf und Rute unterhalb der Rückenlinie. 

Weitere Anzeichen: Knurren, bellen, keifen, gesträubte Rückenhaare

Defensiv drohender Hund - Kleinhunde werden nicht ernstgenommen
KI generiert mit ChatGPT

Spätestens beim defensiven Drohen wäre es ratsam auf den Hund einzugehen. Die allermeisten Hunde tun das nicht, weil sie so wahnsinnig dominant sind, sondern weil sie sich echt unwohl fühlen.

Wenn ich sage auf den Hund eingehen, heißt das nicht, dass dieser sich nun alles erlauben darf. Aber ich muss mich fragen, was gerade zu dieser Reaktion geführt hat. Was muss ich tun, damit sich das wieder zum Guten ändert? Muss ich meinen Umgang mit dem Hund ändern? Soll ich mehr oder weniger Grenzen setzen? Verhalte ich mich übergriffig? Hier ganz klar, küssen finden extrem viele Hunde, extrem daneben. Viele tragen es mit Fassung, der ein oder andere „küsst“ zurück. Mit Zunge und Zähnen. 

Lange Rede, kurzer Sinn. Hat Mensch es also immer noch nicht kapiert, dann kann der Hund auch einen Schritt weitergehen: 

Offensives Drohen 

Ohren und Rute: Die Ohren werden nach vorne genommen und aufgestellt, die Rute wird hochgetragen, wedelt nicht, und ist steif. 

Augen und Blick: Die Augen sind weit und rund geöffnet, der Blick wirkt hart und fokussiert. 

Gesichtsausdruck: Fang stark verkürzt, nach vorne, runde Mundwinkel, Zähne sichtbar, Zunge nicht sichtbar, gekräuselter Nasenrücken. 

Körperhaltung: Der Hund steht im Gegensatz zum defensiven Drohen aufrechter und wirkt insgesamt selbstbewusster. Körperschwerpunkt nach vorne verlagert. Ohren und Rute oberhalb der Rückenlinie. 

Weitere Anzeichen: Knurren, bellen, keifen, gesträubte Rückenhaare

Offensiv drohender Hund - Wenn Kleinhunde nicht ernst genommen werden
KI generiert mit ChatGPT

Wer einen offensiv drohenden Hund immer noch nicht ernst nimmt, der hat wahrlich einen an der Murmel und tut mir dann auch nicht mehr leid, wenn der Hund seine Hand perforiert hat. 

Der richtige Umgang mir Drohsignalen

  • Drohverhalten ist normales Kommunikationsmittel von Hunden und muss ernst genommen werden. Auch bei kleinen Hunden! Dieses Verhalten wird dazu eingesetzt eine Distanzvergrößerung zu erreichen.
  • Gewähre Deinem Hund den nötigen Abstand und deeskaliere die Situation.
  • Droht ein Hund aus Angst und / oder Unsicherheit, dann ist es ratsam die Ursache dafür zu finden und ihn zu unterstützen mit seiner Angst zurecht zu kommen.
  • Bestrafe Drohverhalten nicht! Das kann dazu führen, dass der Hund lernt, dass seine Drohungen nicht ernst genommen werden und er zu härteren Maßnahmen greifen muss! 

Die 4F-Strategien: Wie Hunde mit Bedrohung umgehen

Die gängigen Strategien von Hunden mit solchen Dingen umzugehen sind die 4 Fs: Flucht (Flight), Einfrieren (Freeze), Flirt (Fiddle about) und Kampf (Fight). Hier sind sie uns Menschen sehr ähnlich, denn auch wir benutzen diese Strategien. 

Die Strategien können in unterschiedlichen Intensitäten gezeigt werden und ein Wechsel von einer Strategie in die andere ist möglich und wird häufig angewandt. 

Schauen wir uns die Möglichkeiten genauer an. 

Flirt: Das Verhalten entsteht oft bei inneren Konflikten, wie z. B. ein nicht richtig einschätzen können von Situationen. Viele Hunde wirken, als würden sie unkoordiniert rumhampeln. Oft wird eine Tiefstellung der Vorhand gezeigt, so dass diese Verhalten oft mit Spiel verwechselt wird. Für echtes Spiel ist der Hund hier auch viel zu angespannt. 

Flucht: Die Flucht dient ganz deutlich der Distanzvergrößerung. Der Hund möchte einfach nur raus aus der Situation. Fühlt der Hund sich nicht ernsthaft bedroht, kann er hier im ersten Schritt auch „nur“ Meideverhalten zeigen. Dies erkennst Du z. B. am Wegdrehen des Kopfes oder auch des ganzen Körpers. Ist der Hund an der Leine, und die Flucht funktioniert dadurch nicht, kann er in eine andere Strategie aus dem Bereich der 4Fs wechseln. 

Freeze: Der Hund verharrt hier, mehr oder weniger lang, in einer bestimmten Körperhaltung. Es gibt hier keine typische Haltung, es können auch nur bestimmte Körperteile einfrieren, wie z. B. die Rute. Beim Einfrieren befindet sich der Hund meist in einem innerlichen Konflikt. Im Allgemeinen unterscheidet er hier zwischen Flucht oder Angriff. Aber auch das Übergehen in den Flirt ist denkbar. 

Fight: Ob der Hund in den Angriff geht kommt auf die Situation an und wie hoch der Hund die Angst vor einer Gegenwehr beurteilt. Hier kann man, ebenfalls je nach Situation, mehr oder weniger defensives oder offensives Drohen vorher beobachten. Ein Angriff hat in den allermeisten Fällen die Intention die Distanz zu vergrößern, also den Kontrahenten zu verscheuchen. Da Hunde generell nicht völlig bescheuert sind, setzen sie dieses Mittel meist erst ganz zum Schluss ein. Schließlich könnte da ja auch für sie nicht ganz so gut ausgehen. 

Hat ein Hund gelernt, dass seine Angriffe funktionieren, dann wird das seine bevorzugte Strategie werden! 

Und leider ist es gerade für kleine Hunde die einzige Strategie, die nachhaltig bewirkt, dass sie in Ruhe gelassen werden. Wird das gesamte Repertoire immer und immer wieder nicht gesehen oder wissentlich ignoriert, dann kann ein Hund sich nicht mehr anders ausdrücken als anzugreifen.    

Die Eskalationsleiter der Aggressivität

Die Eskalationsleiter zeigt noch einmal gut die Bandbreite der Kommunikation. Meine Canva-Fähigkeiten sind eher begrenzt, aber ich habe trotzdem mal gebastelt. 

Eskalationsleiter der Aggressivität bei Hunden nach K. Sheperd

Im grünen Bereich kann der Hund noch nachdenken und aktiv Entscheidungen treffen. Im gelben Bereich leidet die Ansprechbarkeit bereits aufgrund der Zunahme der Erregung. Im roten Bereich handeln Hunde emotional und es ist kein rationales Denken mehr möglich. 

Dies zeigt uns, dass Schnappen und Beißen erst einmal „nicht absichtlich“ oder aus „Boshaftigkeit“ geschieht. Es ist für Hunde immer der letzte Ausweg. In der Entstehungsgeschichte. Mit der Zeit wird es aber durchaus eine bewusste Strategie. 

Häufige Fehler in der Kleinhunde Erziehung

Ich hatte es eingangs schon erwähnt. Kleinhunde werden auf dieser Leiter nicht ernst genommen. Was ich beobachte ist, dass je kleiner die Hunde, desto weniger Ahnung haben die Besitzer. In der Regel. Es gibt immer Ausnahmen. 

Ein großer Hund hingegen, hat aber auch bei ahnungslosen Besitzern oft bessere Karten, da die Besitzer zumindest nicht mehr übergriffig werden. 

Ist ja nur ein Kleiner

Was bei einem 30-Kilo-Hund sofort Grenzen auslöst, wird beim Kleinen durchgewunken. Dabei brauchen gerade sie klare Regeln, weil sie so oft überfordert sind.

Vermenschlichung

Kleinhunde werden überproportional oft als „Püppchen“ gesehen. Ein Hund ist kein Baby. Kein Ersatzpartner. Kein Trostpflaster. Wer seinen Hund wie ein Kleinkind behandelt, nimmt ihm die Möglichkeit, sich hundegemäß zu entwickeln.

Kleinhund Erziehung - Vermenschlichung
Warum?
Quelle: Foto von SHVETS production

Fehlende Grenzen als Ursache für Verhaltensprobleme

Ein weiterer Grund, warum diese kleinen „Kläfftölen“ sind wie sie sind, ist das Fehlen von Grenzen.

Viele kleine Hunde dürfen ohne Einladung auf die Couch, auf den Schoß und ins Bett. Sie können ohne Folgen fordern, bellen und beißen. Das ist keine Liebe. Das ist Vernachlässigung von Erziehungsaufgaben.

Da wo ein großer Hund schon rein aus Respekt gegen die Mitmenschen erzogen wird, kann der Zwerg tun und lassen was er will.

Problematische Verhaltensweisen, die toleriert werden:

  • Fremde Menschen anspringen? Kein Problem, der ist ja soooooo süß, der Kleine.
  • Große Hunde anpöbeln? Haha, witzig. „Schau mal die kleine Maus kann sich voll gut durchsetzen“.
  • Abgrenzung vom Besitzer zu Hause? Nicht nötig. Der Handtaschen-Fiffi wird eh den ganzen Tag durch die Gegend getragen. 

Ja ich weiß, das war jetzt ein bisschen böse und die „Kläfftöle“ auch nicht gerade nett. Aber Himmel noch mal, das ist der Alltag. Ich mag kleine Hunde sehr. Wenn sie Hunde sind. Als solche behandelt werden und sich als solche zeigen. 

Das „Handtaschen-Hund“ Syndrom

Viele Besitzer tragen ihre Kleinhunde ständig herum, anstatt sie als vollwertige Hunde zu behandeln. Dies führt zu:

  • Fehlender Sozialisierung
  • Unsicherheit in normalen Hundebegegnungen
  • Erhöhter Stress durch mangelnde Kontrolle
  • Verstärkung unerwünschter Verhaltensweisen

Erfolgreiche Kleinhunde Erziehung: So geht’s richtig

  1. Respektiere die Warnsignale: Nimm Knurren und andere Drohgebärden ernst
  2. Setze klare Grenzen: (Klein)hunde brauchen keine Härte. Sie brauchen Klarheit und Grenzen. Verbindliche Kommunikation und faire Konsequenzen.
  3. Behandle Deinen Hund als Hund: Lass Deinen Kleinhund Hund sein: Buddeln, schnüffeln, rennen und die Welt erkunden. Aber: Lerne ihm auch, dass nicht alles erlaubt ist.
  4. Belohnung und Konsequenz: Fördere, was Du sehen willst und belohne  das angemessen. Und sei konsequent bei Verhalten, das nicht zielführend ist.
  5. Ermögliche Sozialkontakte: Viele Kleinhunde haben nie echte Hundekontakte. Such Dir gute Sozialpartner und lass Deinen Hund die Hundesprache lernen. Steh ihm dabei wohlwollend zur Seite, wenn er unsicher ist. 

Kleinhunde verdienen Respekt und professionelle Erziehung

Das Recht auf artgerechte Behandlung

Kleinhunde haben dieselben Bedürfnisse wie ihre großen Artgenossen:

  • Recht auf Respekt: Ihre Grenzen müssen beachtet werden
  • Recht auf Erziehung: Sie brauchen klare Regeln und Struktur
  • Recht auf Bewegung: Auch kleine Hunde wollen und müssen spazieren gehen
  • Recht auf geistige Förderung: Mentale Auslastung ist essentiell
  • Recht auf Sozialisierung: Kontakt zu anderen Hunden und Menschen

Fazit: Kleiner Hund, große Verantwortung

Auch Kleinhunde sind Hunde. Sie haben die gleichen Bedürfnisse wie große Hunde. Sie müssen nicht Prinzessin sein. Sie dürfen nass werden. Sie dürfen Gassi gehen. Sie dürfen Grenzen erfahren und sie haben das Recht ihre eigenen Grenzen zu ziehen und dabei respektiert zu werden. Sie haben das Recht erzogen und ausgebildet zu werden. Sie haben das Recht zu lernen, zu arbeiten und sich zu entfalten. 

Kleinhunde sind keine Hunde zweiter Klasse. Wer kleine Hunde „niedlich macht“, tut ihnen keinen Gefallen. Wer sie ernst nimmt, schafft die Grundlage für ein entspannteres Leben.

Hast Du einen kleinen Hund, der groß auftrumpft?

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