Letzte Woche ging es hier um die allgemeine Welt der Impulskontrolle beim Hund. Heute möchte ich ein konkretes und alltägliches Beispiel unter die Lupe nehmen: Die Begrüßung – sei es zwischen Dir und Deinem Hund, zwischen Hund und Deinen Besuchern oder von Hunden untereinander.
Die überschwängliche Begrüßung – ein Alltagsproblem
Kennst Du das? Die Tür öffnet sich, und Dein Hund stürmt förmlich auf Dich zu, springt an Dir hoch, bellt vor Freude und scheint kaum zu bändigen. Bevor er nicht in Deinem Gesicht gelandet ist, scheint er nicht glücklich zu sein?
Oder Besuch klingelt, und noch bevor die Gäste richtig im Flur stehen, werden sie von Deinem vierbeinigen Freund enthusiastisch begrüßt – manchmal zum Leidwesen der Besucher oder deren Klamotten.
Was für viele Hundehalter zunächst als niedliches Verhalten und Ausdruck von Zuneigung erscheint, kann sich langfristig zu einem echten Problem entwickeln. Die überschwängliche Begrüßung ist mehr als nur nervig oder lästig – sie ist ein deutliches Zeichen fehlender Impulskontrolle und kann weitreichende Auswirkungen auf das gesamte Verhalten Deines Hundes haben.
Wie begrüßen sich Hunde untereinander?
Um zu verstehen, warum wir bei der Begrüßung Grenzen setzen sollten, lohnt sich ein Blick auf das natürliche Verhalten unter Hunden. Erwachsene, sozial kompetente Hunde praktizieren nämlich höchst selten überschwängliche Begrüßungen.
Wenn Du die Möglichkeit hast – beobachte mal ältere, souveräne Hunde. Eine typische Begrüßung läuft etwa so ab:
- Vorsichtiges Annähern, oft in einem Bogen
- Kurzes Beschnüffeln, meist an der Schnauze und im Analbereich
- Entspanntes Weitergehen oder gemeinsames, ruhiges Erkunden der Umgebung
Was Du bei sozial kompetenten Althunden hingegen kaum sehen wirst:
- Wildes Anspringen
- Übermäßiges Vordrängen
- Anhaltendes, aufdringliches Beschnüffeln
- Körperliches Bedrängen
Interessanterweise reagieren erwachsene Hunde auf das überschwängliche, stürmische Verhalten von Junghunden oft mit deutlicher Zurückhaltung oder sogar mit Zurechtweisung. Sie setzen klare Grenzen, wenn der jugendliche Enthusiasmus überbordet. Das machen sie nicht aus Boshaftigkeit, sondern es ist ein wichtiger Teil der sozialen Erziehung.
Ein Junghund wird dabei lernen, dass es höchst asozial ist so stürmisch in eine Begrüßung zu gehen. Er wird lernen sein Verhalten dahingehend anzupassen, dass er:
- zurückweicht
- Demutsgesten zeigt
- den Althund versucht zu beschwichtigen
- sich beschnüffeln lässt
Die Demutsgesten können sehr unterschiedlich ausfallen. Im Allgemeinen wird sich der Hund klein machen, die Ohren anlegen, die Rute tief nehmen oder gar unter den Bauch klemmen und im allgemeinen eine Körperhaltung zeigen, die signalisiert „hey, alles gut Kumpel, ich habs ja verstanden und will eigentlich gar nichts von dir“. Diese Körperhaltung darf nicht mit Angst verwechselt werden. Der Hund hat in dieser Situation keine Angst, sondern hat verstanden, dass sein rüpelhaftes Verhalten nicht wirklich angemessen war und „entschuldigt“ sich dafür.
Im besten Fall kann er das recht schnell umsetzen und geht ins Beschwichtigen über. Das heißt, er geht in sehr tiefer Haltung wieder auf den Althund zu und versucht dessen Leftzen zu lecken und / oder dreht sich gar auf den Rücken. Genau das erklärt, warum unsere Hunde oft versuchen in unser Gesicht zu gelangen. Sie möchten uns in ihrem ganzen Überschwang auch noch beschwichtigen und unsere Mundwinkel belecken.
Dies soll in diesem Rahmen reichen. Demuts- und Beschwichtigungsgesten sind natürlich noch viel diffiziler und können auch situationsabhängig anders ausfallen. Vielleicht mache ich da in Zukunft noch einen extra Beitrag.
Warum wir von Hunden lernen sollten
Wenn wir als Menschen diese natürliche „Hundesprache“ verstehen und in unserem Umgang mit unseren vierbeinigen Begleitern umsetzen, sind wir nicht etwa streng oder lieblos – ganz im Gegenteil: Wir kommunizieren artgerecht und auf eine Weise, die für den Hund verständlich ist.
Indem wir überschwängliche Begrüßungen nicht fördern oder belohnen, sondern stattdessen auf ruhige Interaktionen Wert legen, sprechen wir eine Sprache, die unser Hund instinktiv versteht. Wir signalisieren: „Ich bin souverän, du kannst dich entspannen.“
Die weitreichenden Auswirkungen des Begrüßungsverhaltens
Was zunächst wie ein relativ unbedeutender Aspekt der Hundeerziehung erscheinen mag, erweist sich bei genauerer Betrachtung als sehr wichtiger Baustein:
- Impulskontrolle als Lebenskompetenz: Ein Hund, der bei Begrüßungen seine Aufregung kontrollieren kann, wird diese Fähigkeit auch in anderen aufregenden Situationen leichter zeigen.
- Stressreduktion: Überschwängliches Verhalten ist oft ein Zeichen von Stress und Übererregung. Ein ruhiges Begrüßungsritual hilft, das allgemeine Erregungslevel Deines Hundes zu senken.
- Sicherheit: Ein springender, stürmischer Hund kann – ohne böse Absicht – Kinder umwerfen oder ältere Menschen gefährden.
- Soziale Kompetenz: Hunde, die angemessenes Begrüßungsverhalten lernen, zeigen meist auch im Umgang mit Artgenossen bessere soziale Fähigkeiten.
- Fundament für weitere Trainingsschritte: Die Kontrolle bei der Begrüßung bildet eine hervorragende Basis für das Training und die Erziehung.
Ein kleiner Ausblick auf mögliche Trainingsansätze
Ein Blockartikel kann natürlich kein ausführliches Training ersetzen oder gar eine detaillierte Anleitung darstellen. Hier aber ein paar Ansätze, die Du beachten solltest:
- Ignoriere Deinen Hund für die ersten Momente nach Deiner Heimkehr, bis er sich beruhigt hat
- Belohne konsequent nur ruhiges Verhalten bei Begrüßungen
- Etabliere alternative Begrüßungsrituale, die mit dem Springen unvereinbar sind, wie etwas ein „Sitz“
- Übe mit „Begrüßungshelfern“ in kontrollierten Situationen
- Sei immer gleich
Auf den letzten Punkt möchte ich noch kurz genauer eingehen, da er vielleicht nicht so ganz selbsterklärend ist. Bitte begrüße Deinen Hund nicht überschwänglich, wenn es Dir gerade in den Kram passt und schimpfe ihn genau für das Verhalten, wenn Du mit den Einkäufen vollgepackt zur Tür reinkommst. Dein Hund kann das nicht unterscheiden und findet Dich nicht souverän, sondern seltsam. Soll er nicht ausflippen, dann fordere das immer! Nicht nur, wenn Du mit dem schönen Kleid, das nicht mit Pfotenabdrücken verziert werden soll, nach Hause kommst.
Fazit: Klein anfangen, große Wirkung erzielen
Die Art und Weise, wie wir die tägliche Begrüßung mit unserem Hund gestalten, mag auf den ersten Blick nebensächlich erscheinen. Doch wie so oft im Leben sind es die kleinen, alltäglichen Dinge, die langfristig den größten Unterschied machen.
Indem wir bei jedem Wiedersehen konsequent auf angemessenes Verhalten achten, legen wir den Grundstein für einen ausgeglichenen, sozial kompetenten Hund. Wir kommunizieren in einer Sprache, die er versteht, und schaffen damit Sicherheit und Klarheit in der Beziehung.
Ja ich weiß, wir freuen uns ja auch, wenn wir unseren Hund endlich wieder sehen. Ist er nicht der Einzige, der sich SOOOO über uns freut? Das nehmen wir so gerne an. Ich sage nicht, dass Du Deinen Hund nicht mehr begrüßen sollst oder Dich nicht über ihn freuen darfst. Mach es einfach etwas ruhiger und souveräner. Spätestens bei mehreren Hunden wirst Du das eh tun. Ich kann Dir sagen, dass es bei 3 Hunden nicht so ganz toll ist, wenn sie gemeinsam auf einen zustürmen.